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Hamburg Corona-Politik in Hamburg

„Mittlerweile häufen sich die Fehler des Senats“

Freie Autorin
Dennis Thering im Rathaus – als Vorsitzender der CDU-Fraktion ist er zugleich Oppositionsführer Dennis Thering im Rathaus – als Vorsitzender der CDU-Fraktion ist er zugleich Oppositionsführer
Dennis Thering im Rathaus – als Vorsitzender der CDU-Fraktion ist er zugleich Oppositionsführer
Quelle: Bertold Fabricius
Oppositionsführer Dennis Thering will 2025 in Hamburg Bürgermeister Peter Tschentscher herausfordern. Dass er dafür eine SPD-Hochburg erobern muss, wertet er als Chance. Rot-Grün wirft er vor, in der Corona-Pandemie zu bürokratisch zu agieren.

Oppositionspolitiker möchte Dennis Thering nicht auf Ewigkeit sein, bei der Bürgerschaftswahl 2025 soll er für die CDU Hamburg Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) herausfordern – keine einfache Aufgabe, denn der Amtsinhaber hat sich in der Corona-Zeit in den Augen vieler als Pandemie-Manager weitgehend bewährt.

Aber Thering, erst 37 Jahre alt, kennt das Gefühl, vermeintlich unterlegen zu sein. Zum einen hat er – trotz einer kurzen Zeit als Torwart in einer HSV-Nachwuchself – „nicht immer in den besten Mannschaften Fußball gespielt“, wie er sagt. Zum anderen ist er eben CDU-Mitglied, was in der Hansestadt mit Blick auf die – mit wenigen Unterbrechungen – seit Jahrzehnten währende SPD-Dominanz herausfordernd ist. „Aber auch als Außenseiter kann man Erfolge feiern“, betont Thering. Er jedenfalls sehe die Union im Aufwind.

WELT AM SONNTAG: Herr Thering, wie knapp 62 Prozent der CDU-Mitglieder haben Sie sich für Friedrich Merz als neuen Parteichef ausgesprochen. Wo sehen Sie die Gründe?

Dennis Thering: Friedrich Merz steht für den nun notwendigen Neustart, er kann Opposition – das ist in der aktuellen Lage wichtig. Jetzt kommt es darauf an, dass wir als Union geschlossen und mit aller Kraft die Herausforderungen angehen. Wir müssen wieder eine klare Sprache sprechen, zugleich aber konstruktiv aufzeigen, wie wir es als Union besser machen würden.

WELT AM SONNTAG: Ein Generationswechsel sieht aber anders aus, Merz hatte sich schon mehrfach um das Amt beworben.

Thering: Ich hätte mir auch jüngere Kandidatinnen und Kandidaten im Bewerberfeld gewünscht. Das war jedoch nicht der Fall, weshalb Friedrich Merz aus meiner Sicht nun der Richtige ist, um die Union aus der Opposition heraus wieder nach vorn zu bringen. In Hamburg haben wir bei der Besetzung des Landes- und Fraktionsvorsitzes mit Christoph Ploß und mir bewusst auf einen Generationswechsel gesetzt.

WELT AM SONNTAG: Welche inhaltlichen Baustellen muss die CDU angehen, um für die Wähler wieder attraktiv zu sein?

Thering: Grundsätzlich muss die CDU als Volkspartei auf allen Themenfeldern klare Antworten geben, daran hat es bei der letzten Wahl gemangelt. Für mich ist das Thema Digitalisierung in den vergangenen Jahren deutlich zu kurz gekommen, da müssen wir einen Schub auslösen. Das traue ich am ehesten der Union zu. Über allem steht derzeit jedoch die Überwindung der Corona-Krise – und alles, was dazugehört. Damit meine ich zum Beispiel eine Haushaltsdisziplin, für die weder SPD noch Grüne bekannt sind. Das war stets ein Kernthema der Union. Wir denken generationsbergreifend. Ich bin Familienvater, weshalb ich ein hohes Interesse daran habe, dass wir auch in 20, 30 und 40 Jahren noch gut in Deutschland leben können. Folgende Generation sollten nicht das ausbaden, was in Corona-Zeiten falsch gemacht wurde. Hinzu kommt, dass wir im Bereich der Wirtschaft Arbeitsplätze sichern und neue Wertschöpfungen schaffen müssen.

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WELT AM SONNTAG: Das Thema Digitalisierung verbinden junge Wähler mit der FDP oder den Grünen. Auch auf anderen Gebieten hat die Union zuletzt wenig Kompetenz ausgestrahlt, wodurch sich das Abschneiden bei der Bundestagswahl erklären lässt.

Thering: Das schlechte Wahlergebnis ergibt sich daraus, dass der Spitzenkandidat bei den Wählerinnen und Wählern nicht so überzeugen konnte, wie wir uns das gewünscht haben. Armin Laschet ist aber nicht allein verantwortlich. Wir wurden auf Bundesebene ähnlich wie in Hamburg bei der Bürgerschaftswahl 2020 als großer Gemischtwarenladen wahrgenommen: von allem etwas im Angebot, in vielen Bereichen aber nichts Konkretes. Deshalb gibt es vor allem in der jüngeren Generation den Wunsch nach Veränderung, nach etwas Neuem nach 16 Jahren. Und weil Demokratie von Wechsel lebt, ist es letztendlich nichts ungewöhnliches, dass für die kommenden vier Jahre andere Verantwortung in der Bundesregierung tragen. Die Union hat sicherlich nicht alles richtig gemacht – aber ich denke, dass wir das erkannt haben.

„Politik ist kein Schönwettergeschäft“

WELT AM SONNTAG: Ein Vorwurf, der nach der Bundestagswahl aus den eigenen Reihen laut wurde, war, dass die CDU beliebig geworden sei, keine streitbaren Positionen mehr vertrete, geschweige denn Antworten auf Herausforderungen wie Mindestlohn oder das Verschmelzen von Ökologie und Wirtschaft hat.

Thering: Wir waren in vielen Punkten zu unkonkret. Während andere Parteien beim Thema Mindestlohn gesagt haben, was sie wollen, sind wir im Unklaren geblieben. Wir müssen den Menschen wieder verständlich erklären, welchen Mehrwert es hat, die Union zu wählen. Das ist uns 2020 bei der Bürgerschaftswahl ebenso wenig gelungen wie jetzt bei der Bundestagswahl. Wir müssen wieder Positionen besetzen, wiedererkennbarer werden – auch, wenn nicht jede unserer Positionen gleich jedem auf Anhieb gefällt.

WELT AM SONNTAG: Und sich trauen, auch mal anzuecken?

Thering: Ich glaube schon. Politik ist kein Schönwettergeschäft. Mein Ansatz als Oppositionsführer ist, das Beste für die Stadt Hamburg herauszuholen. Dazu gehört, Diskussionen anzustoßen, um ein Umdenken in der Politik und Bevölkerung zu erreichen. Wenn ein Politiker nur mit dem Mainstream schwimmt, wird er beliebig.

WELT AM SONNTAG: Ihr Landeschef Christoph Ploß eckt an, sei es nun mit seiner Ablehnung des Genderns oder seiner Forderung, neben dem Rechtsextremismus auch den Linksextremismus im Auge zu behalten. Bislang mündet dieser Kurs nicht im Erfolg.

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Thering: Ich kann nur für mich sprechen. Ich bin unmittelbar zu Beginn der Corona-Pandemie CDU-Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft geworden. Für uns war es in dieser schweren Lage selbstverständlich, dass wir uns an die Seite des rot-grünen Senats stellen. Hanseaten halten zusammen. Mittlerweile häufen sich jedoch die Fehler des Senats, die wir folglich ansprechen. Ich habe schon eine Corona-Impfpflicht gefordert, als sie in Hamburg noch nicht diskutiert wurde. Das hat nicht jedem gefallen. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Impfpflicht der einzige Weg ist, um aus der Pandemie herauszukommen.

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WELT AM SONNTAG: Was würden Sie aktuell in der Pandemie anders machen als der Senat?

Thering: Der Senat ist aus dem Tritt gekommen, was die Bewältigung der Pandemie betrifft. In der jetzigen Phase könnte man das Impfen deutlich schneller voranbringen, etwa in dezentralen und flächendeckenden Impfzentren. Deutlich mehr Impfbusse müssten in die Stadtteile fahren, in die Sportvereine, in die Einkaufszentren, um lange Schlangen zu vermeiden. Bei den Booster-Impfungen rangiert Hamburg weit hinten, obwohl Hamburg mit einer hohen Hausarztdichte und kurzen Wegen gute Voraussetzungen dafür hat, schnell zu impfen. Das gelingt nicht, weil der Senat sehr bürokratisch agiert und sich immer streng an die Vorgaben der Stiko hält. Aus dem Aushängeschild Hamburg ist in der Pandemie ein Sorgenkind geworden. Hamburg braucht zudem mehr Testzentren. Lange Schlangen vor Impf- und Testzentren liefern das völlig falsche Bild – hier muss der Senat endlich handeln.

WELT AM SONNTAG: Im Herbst 2022 legt die Elb-CDU ein neues Grundsatzprogramm vor. Mit welchen Sorgen der Bürger werden Sie konfrontiert, worauf Sie demnach reagieren müssten?

Thering: Die größten Themen abseits von Corona, auf die ich in meinen Bürgersprechstunden und meinen Stadtteiltagen immer wieder angesprochen werde, sind die Verkehrspolitik und das fortschreitende Schwinden von Hamburgs Grünflächen, beides verärgert viele Menschen. Bei der zunehmenden Versiegelung von Flächen fordern immer mehr, Hamburg als grüne Stadt am Wasser für die nächsten Generationen zu erhalten. Das bedeutet, dass sich der Wohnungsbau auf bereits versiegelte Flächen an den Magistralen konzentrieren sollte. Darüber hinaus wünschen sich die Menschen eine saubere Stadt sowie eine, die den Wohlstand von morgen sichert. Auf diese Probleme hat der Senat aktuell keine Antworten.

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WELT AM SONNTAG: Welche Antworten haben Sie denn, etwa in der Verkehrspolitik?

Thering: Hamburgs Verkehrspolitik ist monothematisch auf das Fahrrad ausgerichtet. Busse und Bahnen, Fußgänger und Autoverkehr sind kaum noch im Fokus, wodurch sich das Verkehrsklima verschärft. Hamburg ist nach wie vor eine der Staustädte Deutschlands. Rot-Grün verrät nicht, mit welchen Anreizen wir die Menschen zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV oder das Fahrrad bekommen. Wir haben Jahr für Jahr steigende Kfz-Anmeldungen. Das zeigt, dass die Verkehrspolitik des Senats an der Realität der Bürger vorbeigeht. Und die Kritik aus der Wirtschaft an der Verkehrspolitik nimmt zu. Wer Handwerker beim Bewohnerparken faktisch aussperrt, betreibt wirtschaftsfeindliche Verkehrspolitik.

WELT AM SONNTAG: Was schlagen Sie vor?

Thering: Die Situation ist im wahrsten Sinne so verfahren, dass sich alle Beteiligten zusammensetzen sollten, um ein Gesamtverkehrskonzept für die Stadt auf die Beine zu stellen. Dafür stehen wir zur Verfügung. Denn die bisherige einseitige Verkehrspolitik des Senats führt zu einer gewissen Kannibalisierung der Verkehrsteilnehmer. Wir fordern seit Langem unterirdische Quartiersgaragen in allen Stadtteilen, um mehr Platz für alle Verkehrsteilnehmer zu gewinnen. Damit nehmen wir dem Auto nicht immer mehr Raum weg, was insbesondere für den Waren- und Wirtschaftsverkehr zeit- und kostenschädlich ist – und ferner ein Problem für die Umwelt. Wir brauchen eine Trendwende in der Verkehrspolitik, und die erreichen wir mit einem breiten politischen Konsens. Dazu ist dieser Senat offensichtlich noch nicht bereit.

WELT AM SONNTAG: Wie würden Sie die Bürger dazu animieren, auf ihr Auto zu verzichten?

Thering: Wenn wir die Menschen vom Auto auf die Bahn bringen wollen, müssen wir ihnen ein ausreichendes Park-and-Ride-Angebot machen. Wenn sie dafür aber bezahlen müssen, ist das ein schlechtes Steuerungsinstrument. Dann fahren sie weiter mit ihrem Auto, weil die Bahn eh teuer und oft unpünktlich ist. Wir müssen den Stau schon an den Stadttoren stoppen, indem wir Pendler kostenloses Park-and-Ride ermöglichen. Dann steigen sie um auf die Bahn. Zudem hat Hamburg den teuersten ÖPNV in Deutschland, weshalb wir an der Preisschraube drehen müssen – ebenso an der Zuverlässigkeit und Attraktivität durch eine kürzere Taktung. Im Hinblick auf den Radverkehr müssen wir die Radfahrer sicher und schnell von A nach B bringen. Das gelingt nicht, indem wir Radwege auf Hauptverkehrsstraßen oder zwischen Fahrspuren verlagern. Das ist gefährlich, vor allem für Ältere und Familien mit Kindern.

WELT AM SONNTAG: Wie entscheidend ist aus Ihrer Sicht der Spitzenkandidat einer Partei, um einen Regierungswechsel 2025 in Hamburg herbeizuführen?

Thering: Neben Inhalten spielt der Spitzenkandidat einer Partei eine immer wichtigere Rolle bei der Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler. Dabei ist die Ausgangslage in Hamburg spannend. Ich habe mich nach dem Wahldebakel 2020 bewusst dafür entschieden, für meine Partei Verantwortung zu übernehmen. Ich bin davon überzeugt, dass wir die CDU wieder nach vorn bringen. Es braucht auch in Hamburg eine starke Union, um die angesprochenen Probleme zu lösen. Und mittlerweile zeigen sich immer häufiger deutliche Schwächen des rot-grüne Senats. Und die greifen wir als Opposition auf und machen unsere Alternativen deutlich. Politik ist ein schnelllebiges Geschäft, Mehrheitsverhältnisse können in drei Jahren anders aussehen als heute. Darin sehe ich eine Chance für die Union. Wir wollen uns um die Menschen kümmern.

WELT AM SONNTAG: Treten Sie 2025 als CDU-Spitzenkandidat an?

Thering: Von dem Tag an, als ich Fraktionsvorsitzender wurde, habe ich meine Bereitschaft erklärt, die CDU als Spitzenkandidat in die nächste Bürgerschaftswahl zu führen. Ich bin sehr motiviert und kann mir das gut vorstellen. Am Ende entscheidet das die Partei.

Geboren am 5. April 1984 in Hamburg absolvierte Dennis Thering erst eine Ausbildung zum Bankkaufmann, ehe er in seiner Heimatstadt Politikwissenschaften studierte. Seit 2001 ist er Mitglied der CDU, seit 2011 sitzt er für seine Partei in der Hamburgischen Bürgerschaft. Dort agierte Thering viele Jahre als Sprecher für Verkehr, Verbraucher- und Tierschutz, nach der Bürgerschaftswahl wurde er im März 2020 einstimmig zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt. Thering ist Vater einer Tochter und lebt mit seiner Familie in Hamburg.

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